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Mittwoch, 17. Juni 2015

Merkels Griechenlandrettung

Die wahre Größe so mancher historischer Persönlichkeiten liegt rückblickend darin, dass sie sich nach Erfüllung ihrer historischen Mission selbst überflüssig gemacht haben. In den seltensten Fällen muss das diesen Großen der Geschichte auch bewusst gewesen sein. Angela Merkel jedoch scheint sich selbst für eine solcherart bedeute Persönlichkeit zu halten. Nach mehreren sozialdemokratischen Metamorphosen der Union unter ihrer ,,Führung”, möchte sie nun offenbar als die Persönlichkeit in die Geschichte eingehen,  die die europäische Mission des ,,linksradikalen” Bündnisses Syrizas unter Tsipras und Varoufakis zu einem historischen  Durchbruch führt.

Griechenland ist schon lange pleite

Eigentlich ist im Verhältnis der Wahrungsunion des Euro und Griechenland alles gesagt. Zum einen ist Griechenland schon längst pleite und schon lange nicht mehr in der Lage, seine aktuellen Kreditverbindlichkeiten zu bedienen oder die eigenen Staatsausgaben zu bestreiten.  (von einer Rückzahlung des gewaltigen Schuldenbergs irgendwann in der Zukunft ganz zu schweigen) Und trotzdem heißt es wieder mal von der Politik, Griechenland stünde kurz vor der Pleite und der Zeitrahmen werde immer enger. Währenddessen finanziert sich Griechenland mit den sog. Ela-Krediten, die von Mario Draghi gewährt werden. Inzwischen ist die Obergrenze der Ela-Kredite auf 83 Milliarden Euro erhöht worden. In der Regierungszeit Syrizas damit um eine Vielfaches der noch aus dem aktuellen Hilfspaket ausstehenden 7,2 Milliarden Euro. Die Ela-Kredite (Emergency Liquidity Assistance) sind deswegen so ärgerlich, weil sie nach den geltenden Regeln missbräuchlich vergeben werden und offen gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung verstoßen.  Natürlich werden die Kredite nicht von Mario Draghi vergeben oder der EZB, sondern münden in weiteren Rettungspaketen für angeschlagene griechische Banken und schlagen sich im Falle des Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion als uneintreibbare Forderungen der restlichen Euroländer nieder.  Während die Griechen Monat für Monat Milliarden von den Banken abziehen, werden die Geschäftsbanken über die Ela-Kredite ermächtigt, sich bei der griechischen Notenbank Geld gegen wertlose Pfänder (Pfänder, die nur dem Schein nach Sicherheit bieten) zu leihen.

Die politische Linke will die Neuordnung Europas

Mit jeder Ausweitung der Ela-Krediten wird der Verbleib Griechenlands in der Eurozone fester gezurrt: Mit der zynischen Argumentation, dass hierdurch ein Austritt Griechenlands für die Steuerzahler des Euroraums immer teurer wird, werden damit immer neue Hilfsgelder begründet. Und für die Hilfsgelder gilt dann exakt dasselbe. Das nutzt die Syriza-Regierung geschickt, um jede Bedingung der Geldgeber kategorisch abzulehnen ebenso wie die Spielregeln der Währungsunion überhaupt.  Die Vertreter der Institutionen der ehemaligen Troika sind Syriza schon weit entgegen gekommen z.B mit einem faktischen Verzicht der öffentlichen Geldgeber, der nur nicht Schuldenschnitt genannt wird.  Eigentlich geht es kaum verhüllt nur noch um ein symbolisches Zugeständnis. Aber die kompromisslose Ablehnung Syrizas ist durchaus konsequent. Es geht dem Linksbündnis nicht um diese oder jene Milliarde oder einen halben Prozentpunkt mehr oder weniger für den anvisierten Haushaltsüberschuss, sondern um eine grundlegende Umstellung von dem Prinzip Hilfsgelder auf ein System der Dauersubventionierung durch einen vergemeinschafteten europäischen Haushalt sowie einer ,,echten” Europäisierung der EZB. Ideen, die der von Mario Draghi angemaßten europäischen Fiskalpolitik durch die EZB ebenso entgegenkommt wie der Idee  von Jean-Claude Juncker mit seinem ehrgeizigen EU- Investitionsprogramm, das im Kern darin besteht, durch öffentliche Anschubfinanzierung und vor allem durch die Garantiehaftung des europäischen Fiskus, private Investoren zu riskanten Finanzanlagen zu animieren. Im Grunde setzt diese Politik  auf die Wiederholung des Effekts, der bereits mit der Einführung des Euros beabsichtigt war und der u.a. für das griechische Schuldendilemma verantwortlich ist, nur auf höherer Stufenleiter. Dahinter steckt die neokeynesianische Philosophie, nach der eine Schuldenkrise am besten überwunden werden kann durch immer weitere Schuldenaufnahme. Vor allem die politische Linke, von den Sozialdemokraten bis zu den Linksradikalen (z.B. ,,Die Linke” in Deutschland  oder ,,Podemos” in Spanien), hat diese apologetische Philosophie der Finanzmärkte als neues Wundermittel für sich entdeckt.

Die Union könnte Syriza ausbremsen, aber … 

Nicht nur gegen die Dreistigkeit der griechischen Regierung, sondern auch gegen die immer dreister werdende Mandatsüberschreitung der europäischen Institutionen, für die es in Europa keine politische Mehrheit gibt, regt sich ein verständlicher Unmut.  Deshalb auch ein deutlich zu vernehmendes Grummeln in der Unionsfraktion.  Angela Merkel hält sich jedoch auffällig zurück, abgesehen von dem vielsagenden ,,Wo ein Wille ist…” Die beinah tägliche Beschwörung eines unmittelbar bevorstehenden Grexits ist eine wie für sie geschaffene Rettung-in-letzter-Minute-Inszenierung.  Der Verbleib Griechenlands in der Eurozone ist für sie alternativlos. Um der ,,Griechenlandrettung” (gemeint ist der Verbleib in der Eurozone)  eine historische Dimension zu verleihen, wird sie von Christ- wie von Sozialdemokraten  als eine Frage  von Krieg und Frieden gehandelt. In dieser Frage möchte Angela Merkel allerdings den Sozialdemokraten den Rang ablaufen. Eine praktische Relevanz hat die Zugehörigkeit Griechenlands zur Eurozone in dieser Hinsicht freilich  vor allem allem vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise, in der Merkel eine ,,Desintegration” Europas als Schwächung gegenüber Putin unter allen Umständen vermeiden will. Daher eher eine Frage von Krieg. Ohne den standhaften Glauben an ihre historische Mission jedenfalls würde wohl auch die Union der Griechenlandrettung à la Varoufakis die Gefolgschaft verweigern. Mit Merkel aber werden sich die Zweifler verkrümeln, wie widerwillig auch immer.

Der Sieg von Syriza wird ein Dammbruch sein.

So unbedeutend die Volkswirtschaft des kleinen Griechenlands auch scheinen mag, über die Fortsetzung der Rettungspolitik wird es zum Hebel für die Neuordnung Europas. Sein Beispiel wird Nachahmer finden und einen Dammbruch auslösen.  Die Zugeständnisse an Syriza sind schon jetzt ein offener Bruch der europäischen Verträge und führen unumkehrbar in die Transferunion und die Zentralisierung der Wirtschafts- und Fiskalpolitik in Brüssel, damit aber auch zum Ende der Souveränität über die nationale Haushaltspolitik (eine dem Grundgesetz widersprechende Entmachtung des Parlaments!). In diesen Fragen ist die Union in Worten jedenfalls mit den entgegengesetzten Zielen (und Wahlversprechen) angetreten.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Nov, 13:58

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