Die schäumende Wut der Eliten
zu den Präsidentschaftswahlen in den USA
Als Kandidat für das Präsidentenamt hatte Angela Merkel Obama noch düpiert, als sie einen Wahlkampfauftritt vor dem Brandenburger Tor verhinderte, so dass besorgte Stimmen mahnend darauf verweisen mussten, vielleicht könnte sie es ja mit ihm noch zu tun bekommen. Als überzeugte Transatlantikerin setzte Merkel aber auf John Mc Cain, unter dessen republikanischem Vorgänger George W. Bush das transatlantische Bündnis vor allem wegen des Irakkrieges Risse bekam. Das „alte Europa“ (Rumsfeld) sollte nach Merkels Vorstellungen wieder fest an der Seite der USA stehen. Inzwischen haben sich die Fronten verkehrt. Die Schockwellen, die die Wahl Donald Trumps jetzt auslösten, lässt das alte Europa in Sorge um die Bündnistreue erzittern. Die besorgte Frage lautet nicht mehr, steht Europa noch zu den USA, sondern stehen die USA noch zu dem westlichen Bündnis, so in der Afghanistan Mission der Allianz „Resolute Support“, für die der US-amerikanische Kommandeur der Natotruppen gerade noch die aktuelle militärische Präsenz bis in das Jahr 2020 zugesichert hat, und vor allem in der Konfrontation mit Russland, nach der Sprachregelung des alten Europas „mit Putin“. Der Ukraine Konflikt und der Syrienkrieg sind die gefährlichsten Brandherde für den Weltfrieden. Der Kandidat hatte nicht nur eine Aussöhnung mit Russland angekündigt, ein militärisches Vorgehen der USA gegen Assad in Syrien ausgeschlossen und die Berechtigung der Nato in Frage gestellt, sondern auch noch allen Ländern gute Beziehungen angeboten, die mit den USA gute Beziehungen haben wollen. In Brüssel reagierte man sofort mit der Lancierung der Idee einer europäischen Armee. Der deutsche Außenminister, der den Kandidaten als „Hassprediger“ beleidigt hatte und dem Wahlsieger die Gratulation verweigerte, hat sich prompt für den Posten des Bundespräsidenten disqualifiziert. Und nassforsch stellte die Kanzlerin dem neuen US-Präsidenten Bedingungen (!) für die weitere Zusammenarbeit auf der Basis von Werten. „Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Haltung.“ Merkel sagt das so, als seien diese Benimm-Regeln aus dem Handbuch einer Frauenbeauftragten die Konstante westlicher Bündnispolitik und nicht die Blutspur von Vietnam bis Afghanistan. Der Satz mag in die Geschichte eingehen als Ausdruck von Realitätsverlust und Selbstüberschätzung einer in dieser Hinsicht vorbelasteten Regierungschefin. Nichts an diesem Satz ist neu oder originell. Gleichwohl bringt er auf plakative Weise den Bewusstseinszustand der heute herrschenden Eliten zum Ausdruck und erhält sein politisches Gewicht, in dem er, von einer deutschen Regierungschefin ausgesprochen, den Repräsentanten der USA wie ein ungezogenes Kind aussehen lassen soll. Das wertebasierte Verständnis einer Militärallianz (Ursula von der Leyen) knüpft insofern an die Rolle Angela Merkels an, in die sie sich mit der Flüchtlingspolitik begeben hat, als Werte per se grenzenlose Geltung beanspruchen. Die Universalität des moralischen Geltungsanspruchs verschmilzt mit dem universellen Geltungsanspruch der weltweit operierenden Militärallianz. Merkel bedient sich der Wirkung des Satzes, um die Nichtanerkennung irgendwelcher von Menschen gezogener Grenzen demonstrativ als verlässliche Konstante ihrer Politik zu behaupten, deren höherwertige Geltungskraft mindestens ideell auch über der Souveränität der amerikanischen Wählerentscheidung steht. Die Fokussierung auf Werte als Grundlage staatlichen Handelns und zwischenstaatlicher Beziehungen überwindet auch intern die Grenzen zwischen Recht und Moral. Die von Merkel verwendeten und der Sphäre des Rechts entlehnten Termini streifen in diesem Kontext ihre Verbindlichkeit ab, die dem Recht innewohnt. Mit Respekt vor dem Recht in dem Merkel-Zitat ist nicht etwa das Recht in den internationalen Beziehungen gemeint, (was ja keine schlechte Grundlage wäre für die Zusammenarbeit von Staaten) und das zum Beispiel den Angriffskrieg verbietet, sondern der Respekt vor dem völlig unbestimmten und frei definierbarem Recht und der Würde des Menschen, das ein jederzeitiges Eingreifen moralisch herausfordert und legitimiert. Und Merkels Einforderung von Demokratie als Bedingung für die Zusammenarbeit mit dem demokratisch gewählten Präsidenten wäre reine Tautologie, wenn Demokratie als Regierungsform und nicht als Wert begriffen wird, gegen den nach dem Verständnis der sog. Eliten diesseits und jenseits des Atlantiks das Wahlvolk schon mit seiner Wahlentscheidung verstoßen kann. Wurden vor nicht allzu langer Zeit deswegen noch sog. bunte Revolutionen in Drittstaaten geschürt wie die grüne Revolution in Iran nach der Wahl Ahmadineschads oder der „Aufstand der Zivilgesellschaft“ in der Türkei gegen die demokratisch gewählte Regierung Erdogan, richtet sich der Stachel der Kritik nun auch gegen das Wahlvolk im Inneren des westlichen Bündnisses selbst. (Ungarn, Polen, die Brexit-Entscheidung und nun Trump) Die Frankfurter Rundschau hat schon am Tag nach der Wahl zum „Widerstand“(!) gegen den gewählten Präsidenten aufgerufen. Junge Demonstranten in den USA randalieren und skandieren „You are not my President“ oder protestieren gegen den „Hassprediger“ mit Parolen wie „Trump, wie hate you“. Das ist der Nachwuchs der sog. Eliten, die man früher einfach Kinder der Bourgeoisie genannt hätte, und die sich von nichts und niemandem ihr Wahlergebnis vorschreiben lassen wollen. Eliten werden sie nur von sich selbst genannt. Schon hieraus spricht eine grenzenlose Verachtung für das „Volk“. Linksintellektuelle haben für die Trumpwähler den Begriff der „Deplorables“, die Verachtungswürdigen, in den akademischen Diskurs eingeführt. Noam Chomsky, ein renommierter Linguistik Professor einer privaten „Elite-Universität“ und linkes Idol aus dem Ostküstenestablishment hat zu den Gründen für das Wahldesaster ausgeführt. „Nahezu die Hälfte der (US-amerikanischen) Bevölkerung geht etwa davon aus, dass die Erde erst einige tausend Jahre alt ist und dass der Klimawandel kein Problem darstellt, weil Jesus Christus in den kommenden Jahrzehnten zurückkehren wird.“ (in einem Interview für die Rhein-Neckar-Zeitung vom 12.11.2016) Diese Aussage ist leider fern jeder Ironie. Da mit ihr die „weiße Arbeiterklasse“ (Chomsky) und nicht etwa alle Muslime über einen Kamm geschoren werden, konnte sie unbeanstandet veröffentlicht werden, ohne gegen irgendeinen Wertekodex zu verstoßen.