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Montag, 23. Februar 2015

Griechisches Lehrstück

Gemessen an ihrem vollmundigen Auftreten haben die smarten Rebellen aus Athen in Brüssel vor allem erst einmal eine peinliche Niederlage erlitten.  Statt die Troika zu entmachten, mussten sie vor der versammelten Eurogruppe die Hosen runterlassen und versprechen, in Zukunft wieder lieb zu sein. Ist es daher nicht auch peinlich, wenn Tsipras diese Niederlage nun als gewonnene Schlacht verkündet? Teils teils. So ganz Unrecht hat er damit nicht. Nachdem es eine Zeitlang so aussah, als könnte der Eurovorhang für Griechenland fallen, haben sich Syriza und die Finanzminister der Eurogruppe zunächst einmal auf die Fortsetzung der Konkursverschleppung zu Lasten Dritter geeinigt, und das sind im Falle Griechenlands die öffentlichen Kassen der anderen Euro Länder.  Was anderswo der Strafverfolgung unterliegt,  der gerade der sprichwörtliche kleine Mann nicht entkommt, kann hier aus politischem Kalkül für beide Seiten als Erfolg gefeiert werden. So weit sind beide Seiten nämlich gar nicht voneinander entfernt.  Wenn Tsipras und seine halbstarke Rebellentruppe die Troika und die Politik der Währungsunion angreift, dann muß man zuallererst anmerken, daß dies eigentlich gar nicht so gemeint ist.

Alles nicht so gemeint

Die Troika verlangt von Griechenland ein umfangreiches Privatisierungsprogramm, das das Land dem Ausverkauf an ausländische Investoren preisgibt:  Unter anderem  Verkauf von Aktien des staatlichen Energierunternehmens PPC mit dem Verlust der Aktienmehrheit, Verkauf von griechischen Inseln und Küstenstreifen,  Verkauf des ehemaligen Athener Flughafens Ellinikon sowie der Privatisierung der Immobilien.  Schon kurz nach Regierungsantritt kündigte die Regierung den Stopp des Privatisierungsprogramms an und legte vorerst die weitere Privatisierung des Hafens von Piräus aufs Eis.  Auf diesen haben freilich die Chinesen bereits eine Art Anwartschaft und werden  jetzt bereits 2  Containerterminals von einem chinesischen Staatsunternehmen betrieben.   Nicht angetastet wurde die Vertragsanbahnung über den Betrieb der griechischen Regionalflughäfen durch den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport mit der griechischen Privatisierungsagentur. (1)

Als die Troika wegen der Privatisierungsvorhaben unruhig wurde,  beeilte sich der stellvertretende Ministerpräsident Dragasakis zu versichern, daß es keinen  Stopp der Privatisierungen geben würde. Im Gegenteil wüsche sich Griechenland Investoren. Anderslautende Meldungen führte er auf die Unerfahrenheit verschiedener neuer Minister zurück.

Richtig ungemütlich wurde es für die neue Regierung, als Zweifel darüber aufkamen, ob sie die Sanktionspolitik gegen Rußland weiter mittrage. Das ließ den sonst so verständnisvollen Griechenlandversteher Martin Schulz (SPD, Präsident des europäischen Parlaments) ein “Donnergrollen” (2) vernehmen und veranlasste ihn, bei seinem Zusammentreffen mit Tsipras einmal ,,Tacheles” zu reden, schließlich sei die Regierung nicht gewählt, um Sanktionen gegen Rußland zu boykottieren.  Giannis Varoufakis stellte freilich umgehend seine eigenen diesbezüglichen Äußerungen als ein Missverständnis  hin. Die griechische Regierung hätte sich nur über mangelnde Unterrichtung durch die europäische Außenbeauftragte geärgert.

Der Wahlkampf von Syriza stand ganz im Zeichen des Rausschmisses der Troika. Tsirpas verkündete mehrfach, das Diktat der Troika zu brechen.  Kurz nach Regierungsantritt sagte  der Wirtschaftsminister Varoufakis gegenüber dem Chef der Eurogruppe  Jeroen Dijsselbloem ,,Unser Land weigert sich, mit der Troika zu kooperieren.” Das freilich erklärte er kurzerhand zu einem Übersetzungsfehler. ,,Wollen wir neue Mittel, ohne Überwachung zu akzeptieren? Nein” (3)

So kann es die neue griechische Regierung als Erfolg verbuchen, daß sie jetzt nicht mehr mit der Troika verhandelt, sondern mit Institutionen, zusammengefasst unter dem Spitznamen Trifkat , ,,Instution formerly known as the Troika” wie man in Brüssel hinter vorgehaltener Hand spöttelt.

Syriza ist nicht die Opposition gegen den Kasinokapitalismus, sondern sein Spiegelbild

Nicht alles, was Syriza sagt, ist falsch . Es trifft zu, daß die Hilfsprogramme zur Krisenpolitik zunächst die Banken gerettet hat und die Gelder zu großen Teilen nicht bei den Griechen angekommen sind. Berücksichtigt man aber die ökonomische Rolle der Banken, insbesondere in dem Währungsraum des Euro, wäre die Rettung der Volkswirtschaften ohne die Bankenrettung nicht denkbar. Die Bankenrettung im Zuge der Krisenbewältigung war der Einsicht in die sog. systemische Relevanz der Banken geschuldet, ohne die der gesamte Kapital- und Zahlungsverkehr zusammengebrochen und auch die Ersparnisse der Menschen verloren gewesen wären. Das Linksbündnis Syriza wird aber auch das politische Machtzentrum der Eurogruppe nicht mit einem Caritasverband verwechseln, sonst würde es sich nicht so eilfertig daran beteiligen, Rußlands Ökonomie absichtsvoll mit der Sanktionspolitik in den Ruin und Millionen von Russen in die Verelendung zu treiben. Sicher, in der Ukraine befindet sich der Westen im Konflikt mit Rußland.  Anlaß hierfür ist  die in Teilen in die europäische Integration strebende Bevölkerung der Westukraine. Damit aber eigentlich kein Vorbild für Syriza, das die Folgen dieser europäischen Integration am eigenen Leib erfährt und doch Anlaß für die eigene Revolte ist.  Rußland hätte Griechenland in seiner Krise sicher auch beigestanden, vielleicht sogar aus Solidarität oder historischer Verbundenheit mit seinen orthodoxen Brüdern, aber mangels ökonomischer Potenz nicht so lukrativ wie die Eurogruppe. Der Ökonomie des Raubtierkapitalismus , wie das gerne ,,kritisch” genannt wird, erzeugt eben auch die Mentalität, daß man um des schnöden Vorteils willen sogar seinen eigenen Bruder verkauft.

Daß der Zusammenbruch großer Banken eine Kettenreaktion auslöst,  der auf die gesamten sog. Realwirtschaft übergreifen kann,  hatte sich in der Tat im Fall von Lehman Brothers gezeigt.  Aus dieser Erfahrung ist das geflügelte Wort von too big to fail entstanden. Schon während des Wahlkampfs 2012 hatte Syriza Chef Tsipras den griechischen Wählern eingebläut, die Gläubiger Griechenlands würden den Bankrott Griechenlands wegen der Folgen für den ganzen Euroraum nicht riskieren. Noch nach der jüngsten Wahl tönte der neue Finanzminister Varoufakis, im Falle eines Bankrotts bräche der gesamte Euroraum wie ein Kartenhaus zusammen. Syriza setzt damit auf die Furcht vor der Kettenreaktion genau in der Logik des too big to fail, wie sie die Eigentümlichkeiten der (meistens fälschlich) sog. neoliberalen Politik hervorgebracht hat. Neoliberal ist deshalb falsch, weil diese Politik gerade das Haftungsprinzip, also die Verantwortlichkeit für eigenes Handeln, und damit ein Grundprinzip des Liberalismus außer Kraft setzt.

Die Widersprüche in der Politik Syrizas spiegeln die Widersprüche der Eurokonstruktion

Die Spekulation auf die Alternativlosigkeit der Rettungspolitik nach dem Prinzip des too big to fail war freilich für das kleine Griechenland, das bereits von dem Zugang zu den Kapitalmärkten abgeschnitten ist,  eine gewagtes Vabanquespiel. Nach Jahren der Rettungspolitik hat sich die gewaltige Schuldenlast Griechenlands fast vollständig auf öffentliche Gläubiger verlagert. Das Druckmittel – oder man muß sagen das Erpressungspotential – auf das Syriza spekulierte,  bestand daher  nur noch in der Inhaftnahme der Steuerzahler der anderen Euroländer. Insofern ist es für Syriza durchaus schon ein Erfolg, daß die Eurogruppe weiterhin bereit ist, den Rettungsgeldern für Griechenland, an denen  alleine Deutschland nach unterschiedlichen Angaben mit bis zu 85 Mrd. Euro beteiligt ist, noch weiteres Geld hinterherzuwerfen. Dazu muß man bedenken, daß bei dem Schuldenstand Griechenlands von über 175 % seines BIP nach ganz überwiegender Auffassung der Ökonomen  die Schulden niemals zurückgezahlt werden können.

Die Forderung der Eurogruppe, die Zahlungen an Reformen zu binden, die die Schuldentragfähigkeit Griechenlands wieder herstellt,  hat daher eine gewisse Plausibilität. Syriza setzt dagegen die Kritik an der Austeritätspolitik, die die gegenwärtige Wirtschaftskrise erst erzeugt hätte und fordert weitere Geldzuflüsse zur Schaffung von Wirtschaftswachstum.  Mit dieser eher vulgärkeyensianischen Argumentation begründen Syriza und die mit ihr verbündeten europäischen Linken etwa die Forderung nach einem Marshallplan. Mit dem  Marshallplan erhielten die Empfängerländer Kredite in Höhe von ca. 2,1 % ihres BIPs. An Griechenland sind aber schon Rettungsgelder geflossen in Höhe von mindestens  170 % des BIPs.

Die Behauptung, erst die Austeritätspolitik habe die Krise in Griechenland erzeugt,  ist falsch. Die griechische Krise ist entstanden mit dem Platzen einer inflationären Blase, als die sich das Wirtschaftswachstum nach der Euroeinführung entpuppte.  Mit billigem Geld wurde über Jahre ein spekulatives Wirtschaftswachstum mit einem wachsenden Leistungsbilanzdefizit finanziert. Mit der Finanzkrise zeigten sich die Widersprüche in der Konstruktion der Währungsunion in dem Zielkonflikt einer Wechselkursstabilität zur Erleichterung des Kapitalverkehrs (das das Wirtschaftswachstum in den jetzigen Krisenländer erst ermöglichte) und einer Budgetbeschränkung gegen eine ausufernde Verschuldung.  Das alles kann man in den Wirtschaftsteilen der großen  Zeitungen oder etwa bei Hans-Werner Sinn nachlesen und zeigt sich fast täglich in dem Ringen um die Aufweichung der Stabilitätskriterien auch gegen geltendes Recht. Das risikoaffine Verhalten der Kapitalmärkte war vor allem der Sicherheit geschuldet, die Eurozone werde als öffentlicher Ausfallschuldner für ihre riskanten Geldgeschäfte bereitstehen. Dieses risikofreie Agieren der Banken, das durch Haftungsfreistellungen für Forderungen gegenüber den Euroländern noch gefördert wurde, ist das Wesen dessen, was H.-W.  Sinn den Kasinokapitalismus nennt.  Der Zielkonflikt zwischen inflationärem Wirtschaftswachstum und Haushaltsdisziplin der öffentlichen Kassen bestimmt noch immer die Politik innerhalb der Eurozone und das Verhältnis ihrer einzelnen Akteure zueinander.  Die europäische Linke, die sich um Kräfte wie Syriza sammelt, setzt auf das Prinzip der Gemeinschaftshaftung und eines auf Pump basierenden Wirtschaftswachstums.  Hier schließen die europaweiten linken Kräfte den Kreis mit den Interessen des nach Expansion strebenden Finanzkapitals. Aus diesem Grunde möchte auch Syriza unter allen Umständen in dem ihr doch so verhaßten Euroverbund verbleiben.

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(1) FAZ 29.1.2015

(2) FAZ 30.1.2015

(3) FAZ 2.2.2015

 

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Zuletzt aktualisiert: 15. Nov, 13:58

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