User Status

Du bist nicht angemeldet.

Kontakt

p-koch-hd(et)web.de

Aktuelle Beiträge

Die schäumende Wut...
zu den Präsidentschaftswahlen in den USA Als Kandidat...
Peter Koch - 15. Nov, 13:58
„Demo für...
Demonstrationen gegen und für den Hessischen Lehrplan...
Peter Koch - 30. Okt, 12:59
Ferdinand von Schirachs...
Am Montagabend zeigte die ARD den Spielfilm „Terror“...
Peter Koch - 18. Okt, 16:24
Heiko Maas macht Gerichtssäle...
Sieht man im Rechtsstaat eine tragende Säule unserer...
Peter Koch - 1. Sep, 21:20
Sharon Dodua Otoo legt...
und gewinnt in Klagenfurt. Auf zum goldenen Matriarchat....
Peter Koch - 14. Jul, 13:33

Links

Griechenland: Türkei sollte Vorbild sein – nicht Feind

Die links-rechte Regierungskoalition Griechenlands setzt mitten im Schuldenstreit, in dem sie für das wirtschaftliche Überleben ihres Landes im Euroverbund kämpft, eine alte nationalistische Politik gegenüber dem Nachbarn Türkei fort. Der griechische Verteidigungsminister Kammenos von der Partei ,,Unabhängige Griechen” schärft in Worten und Taten das Feindbild Türkei und provoziert neue Spannungen in der Ägäis, indem er sich z.B. in einem ,, Akt des Patriotismus” mit dem Militärhubschrauber direkt an die türkische Grenze fliegen ließ, um dort auf der vor 19 Jahren umkämpften winzigen (unbewohnten) Ägäisinsel Imia einen Kranz zu Ehren gefallener griechischer Soldaten abzuwerfen.  Ein Akt, der eine niederschwellige militärische Reaktion und Gegenreaktion der türkischen und griechischen Luftstreitkräfte provozierte und die Türkei veranlasste in diplomatischen Worten Griechenland zu drängen, ,,diese unverantwortlichen Taten so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen.” (1) Der ,,linke” Außenminister Kotzias von Syriza und ehemaliges ZK-Mitglied der griechischen Kommunistischen Partei steht ihm in nichts nach. Vor dem Außenministertreffen der EU in Riga letztes Wochenende brachte er die brisante Variante von Sanktionen gegen die Türkei ein wegen der Besetzung Nordzyperns, also  in einer Art konsequenter Erweiterung der schon gegen Rußand verhängten Sanktionen, die Griechenland ja unterstützen würde (und in der Tat auch unterstützt).  Aber ,,Sie (die EU) verlangen, daß wir für ein außereuropäisches Gebiet kämpfen, nicht aber für ein Gebiet in der EU. Ich bin gegen doppelte Moral”, zitiert ihn AFP. Wobei der griechische Außenminister freilich unerwähnt läßt, daß die Türkei und die Zyperntürken seinerzeit den Wiedervereinigungsplan des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annans unterstützt haben, der nur durch das griechisch-zyprische Nein in dem Referendum zu Fall gebracht wurde. Auch in einem Interview gegenüber der Tagesschau am 7.3.2015 bekräftigt Kotzias die griechische Unterstützung der Rußlandsanktionen, beschwert sich aber über die Folgenlosigkeit, mit der sich die Türkei nicht an den Sanktionspolitik beteiligt.

EU Politik gegenüber der Türkei – die große Schwester der Troika-Politik

Die kleinlich gehässigen Ausfälle der griechischen Regierung  gegen die Türkei sind deshalb so schäbig, weil sie sich gegen ein Land richten, das im europäischen Umfeld wie kein anderes unter einem ähnlichen Schicksal zu leiden hatte wie Griechenland unter der Troika, wenngleich weit weniger selbstverschuldet.  Im Falle Griechenlands ist die Abhängigkeit von öffentlichen Geldgebern vor allem dem Zusammenbruch eines durch den Eurobeitritt Griechenlands verursachten spekulativen Wirtschaftswachstums geschuldet, während sie im Fall der Türkei in einer strukturellen wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes mit den Merkmalen eines Entwicklungslands gegenüber dem entwickelten Finanzkapitalismus seine wesentliche Ursache  hatte.

1963 schloss die damalige EWG ein Assoziationsabkommen mit der Türkei ab. 1987 wurde der Antrag auf Vollmitgliedschaft aber abgelehnt. Seither besteht der Heranführungsprozeß der Türkei an Europa bis heute in einer andauernden offen diskriminierenden Hinhaltetaktik. Am 1.1.1996 trat die Zollunion der EU mit der Türkei in Kraft, an der die Türkei hauptsächlich wegen der Perspektiven auf eine Vollmitgliedschaft interessiert war. Ansonsten hatte sie durch das Zollabkommen im Wesentlichen nur Nachteile. Sie öffnete ihre Wirtschaft der EU und passte ihre Wirtschaftsgesetze an die EU an. Die Folge war ein drastischer Anstieg ihres Außenhandelsbilanzdefizits und der Wegfall von geschätzten 2,6 Milliarden Dollar jährlich an Zolleinnahmen. Die EU hatte dagegen ihre Verpflichtungen aus der Zollunion nie eingehalten und nicht einmal die vorgesehenen Ausgleichszahlungen aus einem EU-Fond in Höhe von 375 Millionen Euro (damals noch Ecu) ausgezahlt.

Die Auszahlung scheiterte an einem Veto Griechenlands!

Das gestiegene Außenhandelsdefizit brachte die Türkei in noch stärkere Abhängigkeit von ausländischen Kapitalgebern und war nach verbreiteter Auffassung mitverantwortlich für die Krise um die Jahrtausendwende. Gleichzeitig machte es neue Beistandsabkommen mit dem IWF erforderlich, die die Türkei zu Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung, Strukturreformen zur Verbesserung der Investitionsbedingungen und einem drastischen Abbau des Sozialstaats zwang.  Zeitgleich mit der Anerkennung als Beitrittskandidat 1999 durch den Europäischen Rat, freilich bei damals unbefristeter Aussetzung der Beitrittsverhandlungen bis zur vollständigen Erfüllung der sog. Kopenhagener Kriterien,   wurde das 17. Beistandsabkommen mit dem IWF abgeschossen. Seither besteht der Heranführungsprozeß der Türkei an Europa in einem Zangengriff von Europäischer Kommission und IWF zur vollständigen Übernahme des rechtlichen Besitzstands der EU durch die Türkei, wie es in der Amtssprache des Bundesaußenministeriums heißt.  Eine Art verschärfter Troika-Politik der EU (ohne EZB) gegen die Türkei.

Die Linke als ständiger Schrittmacher des Reformdrucks auf die Türkei

Ganz im Gegensatz zu der jetzigen Rhetorik in der Griechenlandfrage  war die europäische Linke in großen Teilen Schrittmacher in dem Reformdruck auf die Türkei, d.h. sie forderte ein noch strengeres Vorgehen, als durch die offiziellen EU-Gremien ohnehin schon vorgegeben war. Namentlich gilt dies für ,,Die Linke”, die (damals noch PDS) im November  2001 im Rahmen einer Anhörung der Bundestagsfraktion eigens  ihre Thesen zur deutschen Türkei Politik vorstellte.  Darin forderte sie, ,,wirtschaftlichen und politischen Druck” auf die Türkei auszuüben zur Durchsetzung der Kopenhagener Kriterien und dabei auch Bürgschaften und Kredite einschließlich des Internationalen Währungsfonds (IWF) daran zu binden. ,,Die Beitrittskandidatur hat auf dem Prüfstand zu bleiben.” heißt es in ihren Thesen. Die Kopenhagener Kriterien waren eine Teilstrecke auf dem Weg zur vollständigen Übernahme des sog. rechtlichen Besitzstands der EU. In ihrem wirtschaftlichen Teil beinhalteten sie in etwa eine funktionierende Marktwirtschaft sowie die Fähigkeit,  dem Wettbewerbsdruck und dem Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten.

Die Bedeutung dieser Prüfsteine für die Türkei waren damals bereits bekannt. In die Schlußphase der  Beistandsverhandlungen zum 17. Beistandsabkommen mit dem IWF parallel zur Anerkennung des Kandidatenstatus 1999 fiel das katastrophale Erdbeben mit einem geschätzten Schaden für die Türkei von 20 Milliarden Dollar. Die Bedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen über die dringend benötigte Kreditvergabe war die Einführung einer internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die Streitigkeiten bei Konzessionsbedingungen und –verträgen regelte (also bei Vorhaben der öffentlichen Infrastruktur, die an private Unternehmen vergeben werden) . Das türkische Parlament mußte damals eigens den Art. 47 der türkischen Verfassung ändern, der bis dahin nur den Tatbestand der Verstaatlichung enthielt und in seinen zweiten Absatz die Privatisierung einführen.  Die gleichzeitig geforderten umfangreichen Privatisierungsmaßnahmen für internationale Investoren erbrachten dann nicht die erhofften Erlöse und machten neue Beistandsabkommen erforderlich. Die unsozialen Reformvorhaben stießen in der ganzen türkischen Gesellschaft auf Widerstand und äußerten sich vor allem in anhaltenden Streikbewegungen, geführt von dem Gewerkschaftsdachverband Türk-Is und dem revolutionären Dachverband DISK.  Unter anderem durfte die Türkei die Gehälter ihrer Beamten im Haushaltsjahr 2000 nur um 25% erhöhen, bei einer damaligen Inflationsrate von 60%! Trotzdem hieß es in den Thesen der PDS, daß die ,,demokratischen und oppositionellen Kräfte” in der Türkei auf den ,,externen wirtschaftlichen und politischen Druck” setzten.

Die Politik der Regierung Erdogan hat die Türkei aus der Abhängigkeit von IWF und EU-Kommission befreit

Die türkische Regierung hat im Mai 2013 die restliche Rate der Kredite an den IWF zurückgezahlt.  Bereits 2010 hatte Erdogan weitere IWF Kredite abgelehnt mit der Bemerkung, er wolle sich von dem Fonds nichts mehr sagen lassen. Die Druckmittel auch der EU-Gremien gegenüber der Türkei in den EU-Beitrittsverhandlungen sind daher inzwischen begrenzt, bei einem ohnehin spürbar nachlassenden Interesse seitens der Türkei.  Im Bewußtsein der türkischen Bevölkerung hat Erdogan damit den IWF ,,rausgeschmissen”, und das ist für die Türkei eine Frage der nationalen Ehre. Erdogan genießt für diese Politik, die die Türkei in die Unabhängigkeit geführt hat, die Unterstützung der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung. Die Türkei entwickelt sich nun vom Schuldner zum Kreditgeber gegenüber dem IWF und fordert mit anderen Ländern selbstbewußt eine Änderung der Machtstrukturen im IWF zugunsten der Schwellenländer. Ironischerweise wird der gewählten Präsident wegen  dieses neuen Selbstbewußtseins  des ganzen Landes in der Wahrnehmung  der westlichen, und hier vor allem der linken Öffentlichkeit in die Nähe eines,,Diktators” oder wenigstens ,,neuen Sultans” gerückt.

Die Türkei könnte in der Frage von Ehre und Würde für eine überwiegend linke Syriza Regierung Vorbild sein. Doch diese geht andere Wege. Sie setzt politisch auf ein Interesse der EU und des Westens an einer stabilen Front vor allem in den eskalierenden Konflikten in Osteuropa und wirtschaftlich auf die innovativen Kräfte eines Finanzmarktkapitalismus, die auf eine Neuordnung Europas drängen. Dabei haben Syriza und ihre Unterstützer wie ,,Die Linke” oder Attac mächtige Verbündete, namentlich in dem ehemaligen Vize-Präsidenten bei Goldman Sachs und jetzigem EZB Präsidenten Mario Draghi, dem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, dem französischen Präsidenten Hollande und seines U-Boots in der Kommission, dem EU-Kommissar  Moksovici,  u.a. Aber das wäre das Thema für einen anderen Beitrag. (2)

------------------------------

(1) FAZ 9.3.2015

(2) siehe dazu auch vorstehenden Beitrag ,,Griechisches Lehrstück” http://peterkoch.twoday.net/stories/griechisches-lehrstueck/

Suche

 

Status

Online seit 4558 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Nov, 13:58

Credits


Arabischer Fruehling
Feminismuskritik
Finanzkrise
Lyrics
Medien
Neue Weltordnung
Rechtspolitik
Türkei
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren