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Dienstag, 20. Januar 2015

Charlie Hebdo und die Aufklärung

Als Reaktion auf die verbrecherischen Anschläge in Frankreich formiert sich eine Bewegung bisher nicht bekannten Ausmaßes, die sich um die Verteidigung republikanischer Werte schart und plötzlich wieder das hohe Gut der nationalen Einheit für sich entdeckt. Die Opfer des Terrorangriffs unter den Redakteuren der Zeitschrift Charlie Hebdo werden zu Märtyrern der Pressefreiheit, die zum Beispiel nach den Worten von Bernard-Henri Levy ,,ihr Leben im Kampf gegen die Unterdrückung des Geistes” bezahlt haben, und die FAZ schreibt am 8. Januar von einem ,,Anschlag ,auf das wertvollste, was der Westen hat.” Es ist durchaus zweifelhaft, ob all dieses Pathos sich noch mit dem Respekt vor den Opfern des grausamen Terroranschlags rechtfertigt, oder ob sich hier eine Bewegung formiert, die mit der Gleichsetzung der Empörung über die Terrorakte mit der bekennenden Sympathie für Charlie Hebdo politisch instrumentalisiert wird. Von ,,einer Kriegssituation” ist in der Rhetorik des französischen Präsidenten ohnehin schon die Rede. Und man sollte auch nicht vergessen, daß Bernard-Henri Levy die Rolle des Anstifters bei dem grausamen militärischen Überfall auf Libyen gespielt hat, an dem Frankreich an führender Stelle beteiligt war.

Charlie Hebdo in der Tradition der Aufklärung?

In einem der seriösesten und durchaus geistvollen Artikel setzt sich Andreas Platthaus in der FAZ v. 9. Januar mit dem Thema Charlie Hebdo und der Aufklärung, zu deren Gradmesser er die Karikatur macht, auseinander. Er greift in den Traditionslinien der Karikatur in der französischen Geschichte zurück bis auf die großen Karikaturisten Charles Philipon und Honoré Daumier und erinnert an den 14. November 1931, an dem sich Philipon vor einem Gericht wegen Majestätsbeleidigung des ,,Bürgerkönigs” Louis- Philippe verantworten mußte, der doch angetreten war, die Pressefreiheit wieder herzustellen. Und Andreas Platthaus würdigt zu Recht die große französische Kultur der Karikatur im Unterschied etwa zu Ländern wie Großbritannien und hebt ausdrücklich hervor, ,,Alle ihre Karikaturisten bezogen offiziell und prinzipiell Stellung gegen die jeweils herrschenden Souveräne.” Im Unterschied z.B. zu der Tradition Großbritanniens. ,,Deren berühmtesten Blätter legten sich vor allem mit den Feinden Großbritanniens an.”

Auch Bilder können töten

Hier allerdings hätte der Autor stutzig werden müssen. Er hat sich die Konsequenzen seiner Überlegungen damit doch selbst schon auf die Zunge gelegt. Die Traditionslinien der Mohamed Karikaturen in der Zeitschrift Charlie Hebdo gehen nicht zurück auf die Aufklärung und die großen Karikaturisten, sondern stehen im Kontext des seit 2003 geführten Kreuzzugs des Westens, wie der fortdauernde Antiterrorkrieg ausnahmslos gegen islamische Länder zunächst genannt wurde. Da mag sich Charlie Hebdo damit herausreden, daß er jede Religion karikiert. Im Westen fordert das schon gar nicht die Obrigkeit heraus. Die Schmähkritik gegen den Islam aber verhöhnt den Feind, auf den der Westen bereits seinen Militärstiefel gesetzt hat, und diffamiert die hier lebenden muslimischen Minderheiten. In der jüngsten Geschichte geht die Tradition eher zurück auf das ganz rechte Lager. Angefangen hat es mit berüchtigten Mohamed Karikaturen in der Zeitung Jylland-Posten im September 2005, deren Erscheinen Unruhen mit 50 Toten zur Folge hatte. Charlie-Hebdo legte im Februar 2006 nach Ebenfalls nachgelegt hatte er auf den Film ,,Innocence of Muslims”, der weltweit Empörung hervorrief und eine angeheizte Stimmung unter den Muslimen erzeugte. Unter anderem soll darin Mohamed als Kinderschänder , Homosexueller und Feigling verhöhnt worden sein. Anstatt sich spätestens hier von diesen häßlichen Machenschaften abzusetzen, setzte Charlie Hebdo nur Tage später mit neuen Mohamed Karikaturen nach und sendete damit zumindest Signale der Solidarität mit diesen Machenschaften aus.

Pressefreiheit ist nicht grenzenlos

und umfasst ganz sicherlich nicht die beleidigende Schmähkritik. In jedem anderen Zusammenhang dürfte darüber Einigkeit bestehen. In einigen Ländern des Westens soll beim Islam und gegenüber den Muslimen aber eine Ausnahme gemacht werden, und die hier lebenden Muslime werden bis bis zur Selbstverleugnung unter ideologischen Druck gesetzt, um sich nicht dem Verdacht der Komplizenschaft mit dem Terror oder wenigstens der Verweigerung der Integration auszusetzen. Wenn jemand öffentlich einen Schwarzen als Nigger beschimpft, ist das nicht lustig und auch nicht von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt. Wer den Religionsstifter des Islams herabwürdigend schmäht, bedient im besten Fall bewußt antiislamische Klischees, und das ist ebenfalls nicht lustig. Das Schüren von Islamophobie hat so wenig mit Religionskritik zu tun wie der Antisemitismus, sondern diffamiert Muslime, ob gläubig oder nicht. Es ist schon einigermaßen erstaunlich, wie in den Ländern Frankreich und Deutschland dieses vermeintliche Recht nun unter Berufung auf die Aufklärung zum Allerheiligsten unserer republikanischen Kultur erhoben wird, ganz im Gegensatz zum Beispiel zu Ländern wie etwa den USA oder Großbritannien, in denen zumindest die Blasphemie noch traditionell sehr viel mehr geächtet wird, auch und gerade zum Schutz der vielen religiösen Minderheiten. Dabei setzt das geltende Recht auch in Deutschland der Presse- und Meinungsfreiheit insoweit deutliche Grenzen. ,,Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.” heißt es in Art 5 Grundgesetz. § 166 des Strafgesetzbuchs ist eine dieser Vorschriften. Strafbar ist danach das öffentliche Beschimpfen weltanschaulicher und religiöser Bekenntnisse, sofern es geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Gemeint ist damit die gehässige, bewußt provokative, verächtlichmachende Schmähung, so wie sie aus der rechten Ecke und eben auch von Charlie Hebdo kommt. Auch wenn der Schutz dieser Werte einem gedeihlichen Miteinander der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, der Toleranz und dem Erhalt der kulturellen Vielfalt förderlich wäre, ist nach dem Tenor der öffentlichen Debatte wohl eher mit einer baldigen Abschaffung dieser Schutzvorschrift zu rechnen.

Montag, 10. November 2014

Die Feiern zum Mauerfall – eine Nachlese

Wer am gestrigen 9. November fernsehen wollte musste den Eindruck bekommen, ganz Deutschland befindet sich mal wieder in einem nationalen Taumel der Wiedervereinigung. Ob dies ein weiteres Beispiel für das Auseinanderklaffen von medial inszenierter und gelebter Realität war, kann dahinstehen. Jedenfalls scheint sich dem gewissen Feingefühl seinerzeit  zum Trotz nach dem Willen der Politik und der Medien der 9. November zum wirklichen Nationalfeiertag gemausert zu haben, während man sich am 3.  Oktober schon achselzuckend fragt, was da eigentlich passiert ist. Notorische Antinationale haben den ganzen Prozess der Wiedervereinigung von Anfang an mit Skepsis verfolgt. Nicht zuletzt aus Angst vor einem Rückfall in den deutschen Nationalismus. Dabei fällt es schwer, den Mauerfall noch als Ereignis der deutschen Nationalgeschichte zu begreifen. Eine Besinnung auf die deutsche Nationalgeschichte  hätte die Partys am 9. November, dem Schicksalstag der deutschen Nation, eigentlich verbieten sollen. So achtbar die Freude über die wiedererlangte Reisefreiheit vieler Deutscher auch ist, solange die deutsche Geschichte als Nationalgeschichte begriffen wird, solange ist ihr der 9. November 1938 als Brandmal eingebrannt. Mauerfall hin oder her, kein Tag der Freude.

Die Feierlaune am gestrigen Tag scheint jene Geschichtsvergessenheit zu symbolisieren, mit der auch die Besiegten von einst heutzutage über den Sieger von damals triumphieren. Noch hatte das ahnungslose Volk bei den Feierlichkeiten gestern Gorbatschow mit ,,Gorbi, Gorbi” Rufen bejubelt, da erklärten schon die Offiziellen Gorbatschow zur historischen Figur, Schnee von gestern könnte man sagen, weil er nach eigenem Bekunden als Vertreter Putins zu den Feierlichkeiten gereist war;  und wir leben ja jetzt in einer ganz anderen Zeit. Dem Vertreter der Siegermacht von einst, der den Deutschen generös die volle Souveränität wieder geschenkt hat, zeigen wir heute die Zähne. Es war nett von dem alten Onkel, seine Truppen aus Deutschland abzuziehen, dafür rücken wir ihm heute mit der Nato auf den russischen Pelz. Das gemeinsame Haus Europas – Schnee von gestern. Gorbatschow hat völlig Recht, und er bemüht sich auch nicht, an den Tatsachen irgendwie zu seinen (russischen Gunsten) zu drehen – der Zwei-plus-vier-Vertrag sah nur den Truppenabzug Rußlands aus Deutschland vor, von dem Verbot einer Nato Ost-Erweiterung war nicht die Rede. Die Russen hatten nur nicht damit gerechnet. Pech gehabt und ordentlich reingelegt, kann man da nur sagen. So kommt der Sieger von damals nun als Gedemütigter. Aber wir haben ihm auch nichts anderes versprochen. Gorbi hatte sicher gedacht, daß er die Botschaft von damals verstanden hat, und er hatte  danach gehandelt. Aber die Botschaft war eine ganz andere. Nichts, Herr Gorbatschow, muss so bleiben, wie es ist. Und richten Sie das mal Ihrem Putin zu Hause aus, der Mauerfall ist auch ein Hoffnungszeichen für die Iraker und die Syrer – und die Ukrainer. Das eben macht ja unsere neue Weltoffenheit aus und läßt die dunklen Seiten der deutschen Geschichte vergessen.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Wehrhafter Feminismus

… und der Abschied vom traditionellen Soldatenbild

 

Zitat des Tages:

,,Offenkundig musste erst eine Frau an die Spitze des Verteidigungsministeriums gelangen, damit dort erkannt wurde, dass im 21. Jahrhundert Wehr- und Abschreckungsfähigkeit auch etwas mit Kindergärten in Kasernen zu tun hat.”

Berthold Kohler, FAZ-Herausgeber, heute in der Frankfurter Allgemeinen

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Die ganze Härte des Rechtsstaats (Heiko Maas) - Verschärfung der Antiterrorgesetze

Am 24. September hat der UN-Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, die alle Länder anhält, ,,Bewegungen von Terroristen oder terroristischen Gruppen zu verhindern.” (sog. Terrortourismus) In Politik und juristischer Wissenschaft gab und gibt es eine verbreitete Auffassung, daß die Bundesrepublik mit ihren Gesetzen hierfür ausreichend gerüstet ist. Gleichwohl hat gestern Innenminister Heiko Maas (SPD) in Abstimmung mit dem Innenminister Thomas de Maizière (CDU) seine Pläne zur  weiteren Verschärfung der Antiterrorgesetze vorgestellt. Danach soll u.a. künftig strafbar sein, wer Deutschland verläßt, um sich an schweren Gewalttaten im Ausland zu beteiligen oder sich dafür ausbilden zu lassen. Verdächtigten soll notfalls der Personalausweis entzogen werden können.

Die neuere Verschärfung knüpft an die  2002  erfolgte Einführung der Strafbarkeit der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung  nach § 129b StGB an und die 2009 in einer verfassungsrechtlichen Grauzone eingeführten Strafbarkeit der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a StGB. Mit den geplanten Gesetzen wird damit eine weitere Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Stadium der Deliktsvorbereitung vorgenommen. ( hier: das Verlassen der Bundesrepublik Deutschland)

Kai Ambos, Strafrechtsprofessor und Richter am Oberlandesgericht, hat in der FAZ v. 2.10.2014 die Resolution des UN-Sicherheitsrats wegen schwerer rechtsstaatlicher Bedenken kritisiert, vor allem wegen der mehrheitlich autoritären Ausrichtung der UN-Mitgliedstaaten. Grundsätzlich sei die Bekämpfung des Terrortourismus zwar zu begrüßen, die Resolution des Sicherheitsrats verzichtet aber auf eine Definition des Terrorismus. Damit überlasse es die Resolution den Staaten, die Personen als terroristisch zu qualifizieren, die unter die Maßnahmen fallen sollen. Zudem verlangt die Resolution zwar einen begründeten Verdacht. Wie aber, fragt Kai Ambos, soll ein begründeter Verdacht festgestellt werden bei Handlungen, die die terroristische Absicht noch nicht manifestieren, ohne daß die präventivpolizeilichen Maßnahmen zwangsläufig zu einer ,,stereotypischen Diskriminierung” führen? Kai Ambos betrachtet daher die Resolution als Einladung an  ,,autoritäre Staaten, ihre Gegner zu bekämpfen.”

Was aber, so muß man wiederum Kai Ambos fragen, unterscheidet eigentlich die rechtliche Problematik dieser Resolution in den autoritären Staaten von der in Rechtsstaaten? Die Fragwürdigkeit dieser rechtlichen Vorgaben, insbesondere mit der angesprochenen weiten Vorverlagerung der Strafbarkeit in den Bereich der vorbereitenden Alltagshandlungen (z.B. Urlaubsreise in die Türkei) kann nicht davon abhängen, wie der Staat sich selbst definiert oder aus westlicher Sicht definiert wird. Aber genau dieses Vorverständnis scheint den westlichen Rechtsstaaten jede Hemmschwelle in der präventivpolizeilichen Terrorismusbekämpfung zu nehmen. Thomas Strobel, stellvertretender Vorsitzende der Unionsfraktion (CDU) meint dazu gar,  ,,Wir müssen das Strafrecht und besonders die Strafprozessordnung einem Islamisten-TÜV unterziehen.”  (1) Deutlicher kann sich die ,,stereotypische Diskriminierung”, die Kai Ambos befürchtet, und die Verlagerung der Strafverfolgung in ein Gesinnungsstrafrecht nicht manifestieren.

Kai Ambos befürchtet in seiner Kritik an der UN-Resolution völlig zu Recht die ,,Instrumentalisierung des Terrorismusbegriffs”. Aber dieses Problem beschränkt sich nicht auf die autoritären Mitgliedstaaten. Eben diese Instrumentalisierung der Terrorismusbekämpfung ist in der Bundesrepublik in vollem Gang,  vor allem mit der opportunen Anpassung des Terrorismusbegriffs an die jeweiligen politischen Interessen in der zunehmend kriegerisch werdende Außenpolitik. Terrorist ist immer der Feind.

Noch im Februar dieses Jahres hat das OLG Stuttgart Funktionäre der PKK wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b StGB verurteilt und bei der Strafzumessung u.a. berücksichtigt, dass es sich bei der PKK um eine besonders gefährliche terroristische Vereinigung handelt. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, daß Zweck und Tätigkeit der PKK unter anderem die Begehung von Anschlägen wie Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) sind. Und vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung denkt Volker Kauder, Fraktionschef der Union, laut darüber nach, der PKK Waffen zu liefern! Dieser Sinneswandel ist augenscheinlich durch nichts zu begründen außer, daß die PKK inzwischen als die Infanterie der USA und des Westens fungiert, so wie islamistische Milizen in Syrien und Libyen bis vor kurzem noch die Bodentruppen des Westens im Krieg gegen Gaddafi und Assad stellten.

Noch schlimmer käme es, wenn sich die weitergehenden Vorschläge der CDU durchsetzten, vor allem mit der Strafbarkeit der sog. Sympathiewerbung für Terrorvereinigungen. Abgesehen davon, daß sich Volker Kauder danach bereits in höchsten Maße strafbar gemacht hätte, wäre diese Verschärfung mit einem weitgehenden Eingriff in die Meinungsfreiheit verbunden. Die Qualifizierung der Hamas als Terrorvereinigung zum Beispiel würde nicht lange auf sich warten lassen,  und damit wäre auch die Meinungsäußerung zum Palästinakonflikt unter Strafvorbehalt gestellt.

Die Instrumentalisierung des Strafrechts zu politischen Zwecken (politische Justiz) wird nicht durch den Rechtsstaat geheiligt, sondern ist eine Gefahr für den Rechtsstaat. Die Drohung mit der ,,ganzen Härte des Rechtsstaats”, mit der Heiko Maas seine Gesetzespläne vorstellte, ist ein Warnsignal.

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(1) FAZ, 26.9.2014

Sonntag, 12. Oktober 2014

Friedensnobelpreis an Kinderstar

Der Friedensnobelpreis geht zur Hälfte an die ,,Menschenrechtsaktivistin” Malala Yousafzai. Wieso eigentlich nicht an einen Friedensaktivisten?  Wer den Einsatz für Menschenrechte mit dem Einsatz für den Frieden gleichsetzt, muß die Nato wohl für eine Friedensbewegung halten. Aber  dann könnte man ja gleich dem US-Präsidenten den Friedensnobelpreis verleihen. (sic!) Die imperialen Kriege werden heute global  im Namen der Menschenrechte geführt. Und dafür braucht es Opfer. Das arme Mädchen Malala wurde im Alter von 12 Jahren niedergeschossen, auf dem Weg von der Schule. Und das brachte sie medial in die ideale Opferrolle:  Kind, weiblich, Opfer. Das Opfer eines Verbrechens zu werden, ist keine Heldentat. Aber die Ideologie macht aus den Opfern Helden und zielt auf die Schwachen. Daher auch das oft mit viel Pathos beschworene  ,,den Schwachen eine Stimme geben” (wohl,  damit sie ihre Stimme nicht selbst erheben.)  Die Preisträgerin ist keine Aktivistin, sondern Opfer, zuallererst Opfer. Opfer der endlosen Kriege, die die Amerikaner und ihre Unterstützer mit ihren zerstörerischen Interventionen überall in der Welt entfachen und nähren. Aber sie ist nicht das einzige Opfer. Den medialen Zuspruch in der westlichen Welt erhält sie, weil sie Opfer durch eine Kugel des Feindes geworden ist, unschuldig, nur weil sie zur Schule gehen wollte. Aber auch für die Kinder auf den Hochzeitsgesellschaften, die von amerikanischen Raketeneinschlägen atomisiert wurden, war die Schule zu Ende. Und auch das afghanischen Mädchen ist Opfer, das um ihren Vater trauert, der im Kampf gegen die Eindringlinge gefallen ist und der in  der Sprache der Aggressoren nicht zu den Unschuldigen zählt.  Auch dieses Mädchen ist Opfer, auch wenn die Eindringlinge in postkolonialer Manier mit ihrer Mädchen- und Frauenbefreiung  über die Genderfrage den Keil in die Völker quer durch die Familien treiben möchten.  Aber das Mädchen Malala ist noch in einem weiteren Sinne Opfer. Ein ehrgeiziger und überaus geschäftstüchtiger Vater, Besitzer einer Schulkette, läßt sie im Alter von 11 Jahren als Bloggerin auf einem Blog der BBC auftreten.  Nach dem dem tragischen Zwischenfall wurde sie mit Hilfe einer findigen PR-Agentur, der BBC und prominenter Unterstützung von Madonna zum weltbekannten Kinderstar aufgebaut. Auftritte bei der UNO und Empfänge beim EU- Parlament und dem amerikanischen Präsidenten. Und unter den internationalen Preisverleihern brach ein regelrechter Bieterwettbewerb um sie aus. Das arme Kind wurde damit überhäuft, vom Simone de Beauvoir-Preis bis zum Sacharow-Preis. Ohne den Friedensnobelpreis bereits 10 international renommierte Ehrungen, darunter die des Time Magazins für die ,,Hundert einflussreichsten Menschen” oder von Amnesty International als ,,Botschafter des Gewissens”. Das Gewicht der Preise und Ehrungen wiegt mehr als ein Kind zu leisten vermag und ein Kinderseelchen verkraften kann. Ein Leidensweg für ein Kind, freilich ein vergoldeter. Millionengewinne mit einer Autobiografie in 25-facher Übersetzung, die man in ihrem Namen schreiben ließ. So wurde sie  zur Ikone im Kampf für Kinderrechte – zum Preis ihrer eigenen Kindheit.  Ein mediales Kunstprodukt mit altklugen Äußerungen bei ihren internationalen Auftritten, die ihr ,,die Erwachsenen” eingeflüstert haben, samt den einstudierten Posen, hinter denen das Kind, ihre kleine Persönlichkeit verschwindet. Als gesichtsloses und entpersönlichtes Wesen, auf das die Weltgeschichte (besser: die Medien)  ihre Opferikone und ihr Heiligenbild projiziert, ist sie gezwungen, eine Burka zu tragen, eine Burka der eigenen Art. Viele der Zumutungen lassen an Kinderarbeit denken. Aber bei Malala geht es nicht nur um eine sprudelnde Geldquelle. Ein internationales Konsortium von ,,Menschenrechtlern”verfolgt das befremdliches Kalkül, aus einem Kind  eine Propagandawaffe in der medialen Kriegsführung zu machen.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Der Fall Giovanni di Lorenzo – Wahlbetrug oder Wahlfarce?

Vor der Wahl stand dem politischen Establishment noch der Angstschweiß auf der Stirn aus Sorge, die Wähler könnten die Legitimation des Europaparlaments durch eine geringe Wahlbeteiligung unterminieren. Und dann verkündete der bekannte Journalist und Chefredakteur der ,,Zeit”, daß er gleich zweimal gewählt hat. Es konnte einem wirklich leid tun, wie der sympathische Giovanni di Lorenzo dies mit seinem unschuldigen Charme einem Millionenpublikum unterbreitete unter der Anwesenheit des Bundesfinanzministers, dem es angesichts dieses überschiessenden europäischen Engagements wiederum die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Und dann brach es so richtig über den Journalisten herein, als er erfuhr, daß die doppelte Wahl nicht nur nicht vorgesehen ist, sondern sogar strafbar sein kann.

In der Tat kann sich nach § 107 a StGB, zwar nicht wegen Wahlbetrugs, wie in der Öffentlichkeit kolportiert wird, aber wegen Wahlfälschung strafbar machen, wer  unbefugt wählt. Hat Giovanni di Lorenzo bei seiner doppelten Stimmabgabe einmal unbefugt gewählt, und konnte er das wissen?

Das Europaparlament ist kein Parlament

Offenbar stehen sich hier zwei eherne Prinzipien gegenüber, die sich aber gegenseitig ausschließen. Grundsätzlich leuchtet der Vorwurf einer Verfälschung des Wahlergebnisses bei einer doppelten Stimmabgabe sofort ein als Verstoß gegen das Prinzip des ,,one man one vote”, was heute natürlich geschlechtsneutral zu verstehen ist. Andererseits knüpft das Wahlrecht in aller Regel an die Staatsbürgerschaft an, und Giovanni die Lorenzo hat nun mal zwei Staatsbürgerschaften – den berühmten Doppelpass. Warum sollte die eine Staatsangehörigkeit weniger wert sein als die andere und geradezu zu einem Verlust des Wahlrechts führen. Manch einer vermutet hier bereits das Versagen des Prinzips der Mehrstaatigkeit, die gerade erst auf gesetzlichem Weg ausgeweitet worden ist. Grundsätzlich führt die Mehrstaatigkeit nicht zu einem Verlust des Wahlrechts in einem der Staaten, dessen Pass man besitzt. Jeder EU-Bürger mit mehreren Staatsangehörigkeiten kann selbstverständlich in allen Staaten, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, an den Wahlen zu den  regulären  Volksvertretungen teilnehmen. Aber die Wahlen zu einem gemeinsamen Parlament scheinen eben jenem oben genannten Prinzip zu widersprechen und der Fall mutet an, wie wenn jemand mit mehreren Wohnsitzen mehrfach an den Bundestagswahlen teilnimmt. Und doch hinkt der Vergleich. In Italien, wie in jedem einzelnen EU-Land, stehen völlig andere Parteien und Kandidaten zur Wahl. Letztlich handelt es sich also um die Wahl einer Ländervertretung in eine gemeinsame Institution, die nicht nur deswegen zu Unrecht den Namen Parlament trägt.

….. weit entfernt von dem Prinzip der freien und gleichen Wahl

In Art. 38 I des Grundgesetzes heißt es, ,,die Abgeordneten werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl” gewählt. Diese Grundsätze, die eigentlich fundamental sind für demokratische Staaten, werden bei den Wahlen zu dem Europaparlament gleich mehrfach durchbrochen. Vor allem greift nicht das Attribut ,,gleich”. In jedem teilnehmenden Land gelten die jeweils eigenen Wahlordnungen, die Wahlzeiten variieren von Land zu Land, und selbst die Wahlberechtigung ist jeweils unterschiedlich geregelt. Nach Art. 38 Grundgesetz sind die Abgeordneten zudem Vertreter des ganzen Volkes. Die Abgeordneten des Europaparlaments können schon deswegen nicht Abgeordnete eines europäischen Volkes sein, weil sie nur als Vertreter eines Landes  gewählt werden und daher nur diesem Land verantwortlich sein können. Damit ähnelt die Abordnung einer Ländervertretung ins Europäische Parlament strukturell der Ländervertretung in einem anderen EU-Gremium, dem europäischen Rat (oder Ministerrat), auf dessen Zusammensetzung jemand wie Giovanni die Lorenzo mit der doppelten Wahlmöglichkeit  aber Einfluß nehmen darf. Das Prinzip der Stimmengleichheit ist aber bei den ,,Parlamentswahlen”auch materiell verletzt. Wegen der Größenunterschiede der teilnehmenden Länder erhalten die Wählerstimmen der kleineren Länder eine größere Repräsentanz. Für eine demokratische Wahl eigentlich ein Unding. Würden aber die Stimmen aller EU-Bürger gleich gewichtet, würden die kleineren Ländern von den größeren erdrückt und von dieser Seite das demokratische Prinzip verletzt. Bezugsrahmen für die Wahlgleichheit ist der Nationalstaat und folgerichtig knüpft das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft an. Mit den demokratischen Grundsätzen muß man sich daher zwangsläufig verheddern, wenn man die parlamentarische Demokratie von dem Bezugsrahmen des Nationalstaats löst und auf ein so krudes Gebilde wie die EU ausweitet. Und dies nicht nur deshalb, weil jemand wie Giovanni di Lorenzo zumindest in einem Staat nicht an der Wahl einer Volksvertretung teilnehmen darf, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

und ohne die Befugnisse eines Parlaments.

Zu allem Überfluß hat die Politik die Bedeutung der Wahlen auch noch zusätzlich vernebelt, indem sie mit den sog. Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten eine Show inszeniert hat, mit der sie bestimmte Befugnisse des Parlaments – und damit auch der Wahlmöglichkeiten der Bürger-  nur vorgegaukelt hat. Dies alles offensichtlich in der pädagogischen Absicht, das unmündige Volk zur Stimmabgabe zu bewegen.  Das am amerikanischen Wahlkampf um das Präsidentenamt orientierte Wahlspektakel mit dem Fernsehduell der Spitzenkandidaten ist schon für die bundesrepublikanische Verfassung unpassend. Völlig irreführend ist es bei der Wahl des Europaparlaments. Es sind nicht die Parteien, die die Kandidaten für den Kommissionspräsidenten aufstellen, und auch nicht das Parlament.  Zunächst einmal müssen die Kandidaten vom Ministerrat nominiert werden, der dabei lediglich das Wahlergebnis berücksichtigt. So gesehen steht nicht einmal fest, ob die vermeintlichen Kandidaten Martin Schulz und Jean-Claude Juncker überhaupt ins Rennen geschickt werden. Hier wirkt sich wieder die Macht der Ländervertretungen aus, die Giovanni di Lorenzo gleich zweimal wählen darf.

Giovanni die Lorenzo, weiß jetzt, wie er bei den Europawahlen wählen darf und wie nicht. Wer oder was mit dem Europaparlament aber eigentlich gewählt wird, bleibt für die Mehrheit des Wahlvolks im Trüben, und die Politik tut ihr Übriges dazu. Als vereinheitlichtes Wahlziel einer großen europäischen Koalition steht dabei die Überwindung des Nationalstaats und der nationalen Orientierung des Wahlvolks (gegen die Populisten).  Dabei bleibt allerdings die Demokratie auf der Strecke, und die Wahlen werden zu einer inhaltsleeren Kulthandlung, die die Politik heiligen soll, jedenfalls die der europäischen Integration. Dabei ließen sich theoretisch die Demokratiedefizite auch in der europäischen Union überwinden und aus einem Pseudoparlament eine echte Volksvertretung machen, die aus freien und gleichen Wahlen hervorgeht,  das europäische Wahlvolk repräsentiert und eine gewählte europäische Regierung demokratisch kontrolliert.  Nur - dann wären wir wieder beim Nationalstaat, dem europäischen halt, größer, mächtiger und einflußreicher auf der Welt als alle Nationen, die es derzeit auf dem Kontinent gibt. Aber auch besser?

Freitag, 18. April 2014

Die Ukraine-Krise und westliche Hegemonialpolitik

Die globalen Auswirkungen der Ukraine-Krise liegen weniger in dem Aufeinanderprallen zweier Machtblöcke im klassischen Sinne (Großmächte, Imperien oder wie man das nannte) begründet, sondern eher in dem  Aufeinandertreffen zweier Zeitebenen. Auf der einen Seite das um seinen territorialen Machterhalt ringende Rußland (Kampf um die Krim) und auf der anderen Seite der weder territorial, geographisch oder auch nur politisch klar einzugrenzende Westen, der auch schon territorial mit irgendwelchen Gebietsansprüchen an dem Konflikt eigentlich gar nicht beteiligt ist oder beteiligt sein dürfte. Das diffuse  Gebilde ,,der Westen” erschließt sich am ehesten als das wirtschaftliche Gravitationszentrum der Globalisierung, einer nach ständiger Expansion strebenden Wirtschaft (und hier vor allem der viel gescholtenen Finanzmärkte), aus der heraus sich die Visionen einer neuen Weltordnung auch völkerrechtlich artikulieren.  Territoriale Gebietsansprüche im Sinne einer imperialen Landnahme sind innerhalb dieses Denkens fremd, weshalb das Taktieren Rußlands aus dieser Sicht auch eher altmodisch erscheint und die Angriffsfläche für westliche Propaganda bietet. In den Visionen einer  neuen Weltordnung verlieren Grenzen prinzipiell ihre Bedeutung, aber gerade deshalb haben in ihr vor allem Vorstellungen von nationaler und staatlicher Souveränität  ebenso wenig mehr Platz wie der völkerrechtliche Grundsatz der territorialen Integrität. ,,Der Westen” begann seine Mißachtung dieser Grundsätze mit voller Wucht in dem Jugoslawienkonflikt vorzuführen, an dessen Zerfall er durch sein Eingreifen ursächlich beteiligt war und setzte diese in den folgenden Kriegen in Afghanistan, Irak, Libyen bis hin zu dem grenzüberschreitenden Drohnenkrieg fort. Hierin liegt aber auch die Schwachstelle der westlichen Propaganda und der Widerspruch in der Rechtfertigung von Gegenmaßnahmen wegen völkerrechtlicher Regelverstöße von Seiten Rußlands, wenn sich der Westen ausgerechnet jetzt auf ebendiese Grundsätze beruft.  In einer zivilisierten Rechtsordnung käme hier der Grundsatz  der unzulässigen Rechtsausübung zum Tragen unter dem Gesichtspunkt des ,,venire contra faktum proprium”, sinngemäß des ,,Handelns gegen vorausgegangenes Tun”.

Das Assoziierungsabkommen im Kampf um Einflusszonen

Die Revolte in der Ukraine war nicht Auslöser, sondern Teil des Kampfes um die Vorherrschaft in dem letzten verbliebenen Einflussbereich Russlands vor dessen Haustür mit einer langen Vorgeschichte.  Seit März 1998 ist des Partnerschafts- und Kooperationsabkommen der EU mit der Ukraine (PKA) in Kraft als Vorstufe für ein Assoziierungsabkommen.  Das Assoziierungsabkommen soll, so gibt das Außenministerium auf seiner Webseite bekannt,  ,,die Ukraine durch Übertragung der EU-Gesetzgebung wirtschaftlich und politisch schrittweise näher an die EU heranführen.”

Unmittelbar nachdem die ukrainische Regierung und das Parlament (!) die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommen auf dem bevorstehenden Gipfel in Vilnius abgelehnt hatten, begann der diplomatische Poker des Westens, um zu verhindern, daß Rußland ins Spiel kommt. Für die Ukraine, die ihren Finanzbedarf mit bis zu 30 Milliarden Dollar bezifferte, regte Rußland Dreiergespräche der Ukraine mit der EU und Rußland auf dem bereits terminierten Gipfel in Vilnius an, um dem hochverschuldeten Land zu helfen, die der Westen aber empört zurückwies. ,,Absolut inakzeptabel ist der russische Anspruch, bei den Wirtschaftsbeziehungen der EU zur Ukraine mitzureden”, so stellvertretend für viele der grüne Europa-Abgeordnete Werner Schulz (1). Zur gleichen Zeit gingen in Kiew ,,irgendwelche Emissäre” ohne Einladung ein und aus, die, wie der russische Außenminister Lawrow diesen Versuch der ,,Schaffung von Einflusszonen” beklagte,  ,,die politische Führung überreden, sich für Europa und die Vereinigten Staaten zu entscheiden.” (2)

Die USA und die EU schienen kurzfristig taktisch unterschiedliche Wege zu beschreiten, um die Ukraine doch noch für das Abkommen zu gewinnen. Victoria Nuland, für Europa zuständige Abteilungsleiterin im US- Außenministerin und bekannt für ihre Äußerung ,,Fuck the EU”, stützte sich auf die angedrohten Zwangsmaßnahmen der US-Regierung und sprach direkt bei dem Präsidenten vor, um danach prahlerisch von sich zu geben, ,,Nach unserem Treffen habe ich keine Zweifel daran, daß Präsident Janukowitsch weiß, was er zu tun hat.” (3) Derweil warb die Außenbeauftragte der EU Ashton noch mit den positiven Auswirkungen einer Anbindung an Europa auf die Finanzmärkte. Diese war aber nur zu bekommen mit einer gleichzeitigen Annahme eines Hilfskredits des IWF über 15 Milliarden Dollar - und den damit verbundenen Auflagen.

Nicht Selbstbestimmung, sondern politische Bevormundung durch EU-Kommission und IWF Diktat im Dienste der Finanzmärkte

Diese Paarung von EU-Anbindung und IWF Diktat war der Grund der Ablehnung des Assoziierungsabkommens zu diesem Zeitpunkt. Janukowitsch wollte die EU-Assoziierung dagegen, wenn die Ukraine wirtschaftlich stark genug dafür sei und sie in ihrem eigenen Interesse wäre.  Der IWF hat seit 2008, dem Beginn der weltweiten Finanzkrise, als sich ausländische Kapital aus der Ukraine zurückzog, umfangreiche Kreditprogramme aufgelegt, die letztlich an den harten Auflagen für die Bevölkerung gescheitert sind. Seit August 2013 hat der IWF das Land deshalb ,,unter besondere Beobachtung”gestellt. Im Zentrum der Reformauflagen stehen im Falle der Ukraine die Streichung der Subventionierung der Gaspreise und Einschnitte ins soziale Netz wie die Erhöhung des Rentenalters. Janukowitsch stand mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem Reformdiktat, das er erniedrigend nannte, übrigens ganz im Einklang mit der Vorgängerregierung Juschtschenko. Auch an dieser sind die Kreditprogramme gescheitert, weil sie statt der geforderten Senkung der Gassubventionen z.B. die Mindestlöhne angehoben hat.

Dieses Zweigespann von EU-Anbindung und IWF Reformdiktate verfolgt in der EU-Ausdehnung immer den gleichen Zweck der Öffnung des Landes für ausländische Investoren und eine entsprechende investorenfreundliche Übernahme von EU Recht. Dies gilt unter anderem auch für den lukrativer werdenden Agrarmarkt der Ukraine, der sich über das geplante Freihandelsabkommen vor allem westlichen Investoren aus dem Agrarbusiness öffnen und diesen einen Monopolzugang ermöglichen soll , das zudem  Rußland ganz von den Handelswegen der dringend benötigten ukrainischen Agrarprodukte abschneiden wird.  Schon heute  ,,(prangern)  Kleinbauernorganisationen wie Via Campesina das ‘land grapping’ an”, u.a. durch deutsche Ökobauern, die wegen niedrigerer Arbeitskosten und Flächenpreise schon große Flächen mit Biogetreide bewirtschaften, das sie in den Westen exportieren. (4)

Janukowitsch hielt die Ukraine vor allem noch nicht reif für die EU und lag dabei streng genommen soweit von der Einschätzung der EU selbst gar nicht entfernt. Die jetzige Eskalation um die Frage der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens und die plötzliche Eile ist daher nur mit der Konkurrenz mit Rußland zu erklären und dem unbedingten Willen, ihm jeden Einfluß auf die Ukraine abzujagen. Insgesamt ist der Anbindungsprozeß an die EU gegenüber den Beitrittskandidaten eher von einer beständigen Hinhaltetaktik geprägt. Daher auch das widersprüchliche Bild, wonach etwa die Türkei als Beitrittskandidat durchgängig beitrittswilliger Regierungen schon seit 1963 vergeblich auf den Beitritt wartet, während eine beitrittsunwillige Regierung der Ukraine die volle Härte der EU für ihr unbotmäßiges Verhalten zu spüren bekommt. Die EU Machtzentralen erinnern dabei ein wenig an das Imponiergehabe von Mafiabossen, deren ,,Schützlingen” jederzeit klar sein muß, wer in diesem Verhältnis einseitig das Recht hat, die Zusammenarbeit aufzukündigen.

Ursprünglich sollte das PKA bereits 2008 durch die Assoziierung abgelöst werden. In diesem Jahr befand sich die Ukraine jedoch am Randes des Staatsbankrotts. Im Dezember 2011, als auf dem Gipfeltreffen EU-Ukraine das Assoziierungsabkommen dann aber eigentlich unterzeichnet werden sollte, legte die EU selbst erneut  den Annäherungsprozeß der Ukraine an Europa erst einmal wieder aufs Eis. Und im Dezember 2012 verabschiedete das  Europaparlament noch fraktionsübergreifend eine Resolution, mit der es die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommen von Fortschritten in Richtung demokratischer Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit abhängig machte. Anlaß für die ,,Sorge um die demokratischen Grundsätze” waren  damals die Parlamentswahlen vom 28.10.2012, deren Verlauf freilich von der OSZE positiv bewertet wurde.  Zudem wurde die Ukraine aufgefordert, die Unabhängigkeit ihrer Justiz unter Beweis zu stellen, indem sie sich bereit erklären sollte, gemeinsam mit den Beauftragten des Europäischen Parlaments ,,eine Lösung für den Fall Timoschenko” zu finden. (5) Parallel dazu wurden die Zahlungen aus dem 2. Kreditprogramm des IWF vom Juli 2010 wegen Nichteinhaltung der Reformauflagen gestoppt.

Obwohl diese postnationale Hegemonialpolitik der EU die Grundsätze von Demokratie und staatlicher Souveränität unverhüllt mit Füßen tritt, hat der Expansionsdrang der EU mit dem ,,Drang nach Europa” in den betroffenen Drittländern auch eine Basis in der Bevölkerung und war eine der Triebkräfte für die Revolte des ,,Euromaidan”. Wie das Beispiel Türkei zeigt, ist der Weg bis zur Vollmitgliedschaft mit dem Assoziierungsabkommen jedoch noch keineswegs vorgezeichnet, dafür aber dornenreich und oft mit erheblichen Opfern für das Land bis hin zu einer vollständigen Umgestaltung aller sozialen, kulturellen und politischen Verhältnisse an die Bedürfnisse der Finanzmärkte verbunden. Im Fall der Türkei ist noch immer Rede davon, nur ,,eine andere Türkei” könne Mitglied werden.

Trotzdem ist auch im Fall der Ukraine das Assoziierungsabkommen eine  ,,Projektionsfläche für alle Wünsche, die in diesem Land schon lange wach sind”,  wie Rebecca Harms in einem Interview vollmundig und übertrieben, aber nicht ganz unzutreffend sagte. Man kann es auch so sagen, die Früchte der Verheißungen erschließen sich zumeist erst, wenn es zu spät ist, denn der Prozeß der europäischen Integration (in den Kreislauf der Finanzwirtschaft) ist auch mit dem Beitritt nicht zu Ende, sondern entfaltet dort erst seine Kapazitäten. In allen südeuropäischen Ländern nimmt die Rebellion der Bevölkerungen daher den umgekehrten Verlauf, eine vergebliche Revolte allerdings, weil es in dem anonymen und gesichtslosen Machtapparat einer EU die projizierte Gegnerschaft zu einem Janukowitsch, einem Putin (oder auch einem Erdogan) nicht mehr gibt. Zum ,,Symbol des griechischen Widerstands” schrieb die FAZ in einem kleinen Artikel am 31.3.2104 über einen hierzulande wenig bekannten, aber sehr instruktiven  Vorgang, ist dort die Milch geworden. Hintergrund ist die von der Troika aus Europäischer Kommission , IWF und EZB erzwungene Reform zur Auszeichnung von Frischmilch. Um Wettbewerbshindernisse zu beseitigen, soll diese nach dem Willen der Troika statt 5 nunmehr 10 Tage alt sein dürfen, wonach die griechischen Produzenten ,,gegenüber Importeuren auf der Strecke bleiben”, wie die FAZ einen griechischen Wirtschaftsredakteur zitiert.

Regime Change im Kampf um die Vorherrschaft

Aufgeschreckt durch die ungebührliche Ablehnung der EU-Offerte,  setzten die EU und die Vereinigten Staaten auf den Sturz der Regierung. Diesen Umsturz, Putsch oder Staatsstreich, oder wie man das nennen will,  nutzte die EU prompt, um völlig übereilt mit der nicht legitimierten Interimsregierung  den politischen Teil des Assoziierungsabkommens abzuschließen, den die gewählte Regierung zuvor aus guten Gründen abgelehnt hatte. Der unbedingte Hegemonialanspruch der EU kommt dabei allerdings vor allem in dem noch nicht unterzeichneten wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens zum Ausdruck, der eine Mitgliedschaft der Ukraine in der eurasischen Zollunion mit Rußland ausschließt.(6)  Nahezu zeitgleich verpflichtete sich die nicht gewählte Interimsregierung in vorauseilendem Gehorsam neben anderen Einschnitten ins soziale Netz, den Gaspreis zum 1. Mai um 50% zu erhöhen und kündigte Massenentlassungen im öffentlichen Dienst an.

Ulrich Krökel, Kommentator in der Frankfurter Rundschau,  hatte am 1.12.2013 nach Ablehnung des Abkommens durch die ukrainische Regierung,  der ,,Lehre von Vilnius”, wie er das nennt, ziemlich genau die politische Marschrichtung des Westens vorgezeichnet. Seine Maxime, die hier wegen des ungeschminkten Eintretens für die westliche Hegemonialpolitik in seiner numerischen Aufzählung  wörtlich widergegeben werden, lauteten: 

1. ,,Hinschauen und handeln!”

2.  auf Janukowitsch gemünzt, ,,Mit einem solchen Irrläufer lassen sich keine historischen Verträge schließen.”

3. ,,Weil mit Janukowitsch kein Staat zu machen ist, ist es weiterhin wichtig, auf einer Freilassung (…von) Julia Timoschenko zu bestehen.”

4. ,,Die Ukraine ist ein potenziell reiches Land. Sie verfügt über Rohstoffe, eine industrielle Basis, die fruchtbarsten Böden Europas und 64  Millionen Einwohner…Die EU sollte deshalb aktiv auf nachhaltigen Wandel in der Ukraine hinwirken.”

Sein ,,Fazit: Aus dem Gesagten folgt, dass auf Dauer nur ein Regimewechsel in Kiew die Probleme lösen kann.”

Exakt nach diesem Drehbuch ist der Westen vorgegangen. Maßgebliche Repräsentanten von Rebecca Harms bis John Kerry sind auf dem Maidan aufgetreten und haben der Revolte, deren gewaltbereiter Kern aus paramilitärischen Milizen faschistischer Organisationen bestand,  der unbedingten Unterstützung versichert und gleichzeitig Zwangsmaßnahmen gegen die Regierung verhängt.

Die vermeintlichen Lehren aus dem ersten Weltenkrieg

Der Ausbruch des ersten Weltkriegs wird in der heutigen Diskussion auch  im Hinblick auf die Ukraine-Krise  vor allem als eine Aufwallung nationaler und nationalistischer Bestrebungen gewertet, was sicher nicht falsch ist. Aber das erklärt zumindest nicht hinreichend z.B. die für die deutschen Kriegsabsichten des Kaiserreichs  unverzichtbare Zustimmung der SPD.  Die Sozialdemokratie, die ihre historische Mission auf die Existenz einer weltweiten Arbeiterklasse projizierte, war ihrem Wesen und ihrer Existenzberechtigung nach internationalistisch gesinnt  und  repräsentierte die größte und mächtigste Opposition gegen das Kaiserreich. Der heimische Burgfrieden zur Mobilisierung ihrer Basis für den Feldzug gegen Rußland wäre nicht denkbar gewesen, wenn diese linke Opposition nicht ideologisch auf das Feindbild des zaristischen Rußlands als das Zentrum der Reaktion fixiert gewesen wäre, und das durchaus im internationalistischen Sinne. Hierin liegt im Westen nicht nur die Kontinuität einer Feindschaft zu Rußland gerade der sog. fortschrittlichen Kräfte begründet, sondern auch schon das Aufeinandertreffen zweier  Zeitebenen, des industriell und technologisch fortgeschritten Westens und des rückständigen Rußlands,  als tiefere Kriegsursache für den 1. Weltkrieg.  Diese notorische Rußlandfeindschaft wird heute allen voran von der ,,fortschrittlichen” und universalistischen grünen Ideologie verkörpert, deren Vertreter am radikalsten und gewaltbereitesten gegen die Herrschaft des ,,Autokraten” Putin wettern. 

Die soziale Basis für die Anbindung an den Westen sind in den meisten Unruhe-Länder in der heutigen Welt  die aufstrebenden Mittelkassen, deren Interessen nicht unbedingt mit den Interessen der Mehrheitsbevölkerung übereinstimmen.  Vor allem für dieses Milieu  ist die EU-Assoziierung die Projektionsfläche seiner Wünsche, von der Rebecca Harms spricht. Im postdemokratischen Verständnis des Westens werden deren Vertreter, wie ein Vitali Klitschko, gleichwohl zu Repräsentanten von Volksaufständen stilisiert und für die Destabilisierung zur Erweiterung der eigenen Einflusszonen instrumentalisiert.  Die den Grünen nahe Heinrich-Böll-Stiftung unterhält eigens eine in ukrainischer Sprache gehaltene Webseite, auf der sie ihre  ,,Mission” mit ,,der Entwicklung und Demokratisierung der Ukraine” und Konzentration auf die Werte der Europäischen Gemeinschaft angibt. Gemeint ist damit aber nicht die Anerkennung von Mehrheitsentscheidungen, die Legitimität demokratisch gewählter Regierungen, der Respekt vor dem staatlichen Gewaltmonopol oder die Anerkennung von Minderheitenrechten  für die russischsprachigen Bevölkerungsteile oder sonstige traditionelle europäische Werte, sondern  ,,Geschlechterdemokratie” und ,,Verbreitung des Themas Gender im öffentlichen Raum”, das Lieblingsthema in der Anti-Putin Propaganda . In dieses Klima passt, daß in ,,seriösen” Kultursendungen des öffentlichen-rechtlichen  Fernsehens allen Ernstes Femen-Aktivistinnen als Lichtgestalten im  Kampf gegen Putin vorgeführt und Geschmacklosigkeiten von Pussy Riot als Heldentaten gefeiert werden.  Wie sehr sich dieser Geist von dem klassischen Demokratieverständnis entfernt, zeigte  sich auch in dem (allerdings gescheiterten) Antrag der Vorsitzenden der grünen Fraktion des Europarlaments, Rebecca Harms, und ihres Co-Vorsitzenden Daniel Cohn-Bendit, mit dem sie dem ,,Putin-Versteher” Gerhard Schröder durch einen Beschluß des EU-Parlaments das Wort verbieten lassen wollten. Schon zu Beginn der Ukraine-Krise trat Rebecca Harms in einer Talk-Show von Reinhold Beckmann besonders vehement für ein aggressives Vorgehen gegen Rußland ein unter anderem mit dem Argument,  ,,wenn es die Bürger in der Ukraine schaffen, diesen Schritt in ein demokratisches System zu gehen, dann destabilisiert dies auch die Verhältnisse in Rußland”, womit sie nicht nur zu erkennen gab, worum es bei  der  Ukraine-Krise eigentlich geht, sondern auch, was es mit dem westlichen Demokratieverständnis auf sich hat. Allenthalben wird bereits auf einen russischen ,,Maidan” spekuliert. 

Die Gegenmaßnahmen Rußlands zur Ukraine Politik des Westens  kann man unter den verschiedensten Aspekten verstehen wie man will, sie sind ihrem Wesen nach vor allem Abwehrmaßnahmen gegen die wirtschaftlichen und politischen Destabilisierungsversuche durch den Westen, eine möglicherweise  hilflose Abwehr angesichts der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Überlegenheit des Westens , vielleicht sogar aussichtslos. Was aber eine gelungene Destabilisierung Rußlands, wenn der Riese wirklich ins Straucheln gerät, bedeuten würde für die Menschen der dort lebenden Völker, und vor allem auch für den Weltfrieden, das scheint einigen Politikern des Westens nicht klar zu sein. 

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(1)  http://www.dw.de/ukraine-l%C3%A4sst-abkommen-mit-eu-scheitern/a-17243731 

2) FAZ 15.2.2014

(3) FAZ 13.12.2013

(4) FAZ 7.12.2013

(5) (Pressemitteilung des EU-Parlaments vom 14.12.2012; http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-

(6) FAZ 31.3.2014

Samstag, 7. September 2013

Strafkrieg gegen Syrien

Die seit Jahren drohende Militärintervention des Westens in Syrien erzeugt eine zunehmende Frustration. Weit und breit existiert keine Friedensbewegung, die sich den Kriegsdrohungen gegen Syrien entgegenstellt oder gar ernsthaft n dieser Hinsicht etwas ausrichten könnte. Gleiches gilt für die Kriegsdrohungen gegen Iran und all die Kriege, die der Westen inzwischen schon weltweit führt, einschließlich Obamas permanentem Drohnenkrieg gegen Aufstände überall in der Welt, wo er auf eine antiwestliche Opposition stößt. Jedem Beobachter des syrischen Bürgerkriegs ist klar, daß dieser von Anfang internationalisiert war und weitgehend von militärischer, wirtschaftlicher und logistischer Unterstützung ausländischer Kräfte genährt und am Leben erhalten wird.  Die notorische Einmischung des Westens in den Verlauf der Unruhen, die die arabische Welt erschüttern, findet seine Widerspiegelung in dem, was hierzulande über die Medien als öffentlicher Diskurs über den arabischen Frühling inszeniert wird. Wie selbstverständlich werden die politischen Umbrüche, Wahlergebnisse, Militärputsche und andere Ereignisse im Spiegel der jeweils eigenen Interessen diskutiert und daran die Intensität der notwendigen politischen und militärischen Einmischung gemessen, mit der die arabischen Völker ihrer Souveränität über ihre eigene Geschicke beraubt werden - und sei es wegen der fehlenden Kompatibilität von Parteiprogrammen mit den Vorstellungen eines westlichen Lebensstils. Dies lenkt den Blick weg von den Schauplätzen der Unruhen in Arabien auf die Kritik an den politischen Veränderungen in den westlichen Ländern selbst.  Zwischen beiden Polen besteht eine Wechselbeziehung. Die Einmischung in die Umbrüche der arabischen Welt hat einen zunehmenden Verfall des Rechtsbewußtseins zur Folge und signalisiert in bedrohlicher Weise die Aufgabe des herkömmlichen Demokratieverständnisses .

Rückfall in das ausgehende Mittelalter

Der Westfälische Frieden 1648 brachte mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges vor allem die Selbstständigkeit der Fürstentümer gegenüber einer als universal verstandenen Herrschaft des Heiligen Römischen Reiches hervor und begründete damit erstmals in der Geschichte das Prinzip staatlicher Souveränität. Ausdruck der staatlichen Souveränität war nach damaligen Verständnis aber auch und vor allem das souveräne Recht jeden Fürstentums, selbständig Kriege zu führen. Das Prinzip der Souveränität machte in der weiteren Geschichte dann  mehrere Wandlungen durch. Vor allem mit der Aufklärung und durch die französische Revolution wurde die staatliche Souveränität als Volkssouveränität verstanden, woraus sich langfristig auch das Prinzip der Nichteinmischung durch ausländische Mächte entwickelte.  Volkssouveränität verschmolz so mit der staatlichen und nationalen  Souveränität. Diese Entwicklung setzte sich fort in der Ausformung des modernen Völkerrechts mit der Gründung der UNO als einer Weltgemeinschaft souveräner Staaten auf der Basis der UN-Charta. Zur Wahrung der staatlichen und nationalen  Souveränität begründet die UN-Charta vor allem das Recht jeden Staates auf territoriale Integrität und das zwingende Verbot der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung mit Ausnahme des Rechts auf Selbstverteidigung.

Die unerwartete Wendung der britischen und US-amerikanischen Regierungen, die Entscheidung über Angriffspläne gegen Syrien in die Hände des Parlamentes zu legen, erntete in den westlichen Staaten Zustimmung und Lob. Bundestagspräsident Lammert sprach von einer historischen Korrektur  in der Zuständigkeitsverteilung der Frage über Krieg und Frieden, und begrüßte, daß diese nun ,,in die Hände des Souveräns, also der Parlamente” gelegt wurden. (1) Mit dieser Haltung befinden sich die westlichen Demokratien hinsichtlich des Begriffs staatlicher Souveränität wieder auf dem Niveau des Westfälischen Friedens.

Modifizierung durch den Strafkrieg zum Universalitätsprinzip des Kaiserreichs

Wie der Anspruch der  von den  Päpsten gesalbten Kaiser des Mittelalters, die universellen Werte des Christentums zu vertreten, beansprucht die westliche Staatengemeinschaft,  die vermeintlich uneigennützige Verteidigung universeller Werte jenseits nationaler Interessen und fällt damit völkerrechtlich noch hinter den Westfälischen Frieden zurück. Keine Macht der Welt hat vom Ausgang des 2. Weltkriegs bis heute jedoch in derart großem Umfang Massenvernichtungswaffen eingesetzt wie die USA. Das gehört keineswegs nur der ferneren Vergangenheit an, wie die Atombombenabwürfe in Japan oder der flächendeckende Einsatz von Napalm in Vietnam. Sowohl bei der ,,humanitären Intervention” in Jugoslawien als auch  während des Irakkrieges haben die USA in großem Stil Waffen mit abgereichertem Uran eingesetzt und weitgehend verseuchte Gebiete hinterlassen. Beim Einmarsch in Afghanistan haben die USA sogenannte Sauerstoffbomben als Offensivwaffen eingesetzt, die der Luft den Sauerstoff entzieht und kilometerweit jedem Lebewesen bei lebendigen Leib die Lungen zerreißt.

Selbst wenn man von dieser offensichtlich mangelnden Legitimität absieht, kann die moralisch verbrämte Charakterisierung als Strafkrieg nicht über die machtpolitischen Interessen hinwegtäuschen. Die vermeintliche Uneigennützigkeit kommt überhaupt erst ins Spiel, nachdem jeder mögliche Militäreinsatz gründlich auf die machtpolitischen Interessen des Westens abgeklopft wird. Die Zögerlichkeiten in dem gegenwärtigen Stand der Kriegsvorbereitungen haben daher auch nichts mit Legitimationsproblemen zu tun, sondern ausschließlich mit machtpolitischen Fragen wie dieser, ob es z.B. so klug ist, gegenwärtig in Syrien möglicherweise einer islamistischen Opposition zur Macht zu verhelfen.  Diese Fragen, und nur diese bestimmen die Taktik und Strategie und nicht die ohnehin nicht aufzuklärende Schuldfrage.

Mehrere Szenarien sind möglich

Über die Aufklärung mutmaßlicher Terroranschlägen von Al Qaida hat mal jemand ein Motto formuliert, das sinngemäß auch für die Aufklärung der Schuld an dem Giftgaseinsatz gelten könnte. Danach ist natürlich das  ,,Assad-Regime”schuld, denn alles andere wäre ja reine Spekulation. Der zielgerichtete strategische Einsatz von Giftgas in dem laufende Bürgerkrieg durch die Assad Regierung erscheint,  wie etwa die Russen sagen,  in der Tat jedoch wenig plausibel in einem Moment, in dem die Regierungstruppen militärisch die Oberhand gewinnen und auch noch zeitgleich mit dem Eintreffen von UN-Inspekteuren. Allerdings darf man genauswenig vorbehaltlos einer syrischen Oppositionspartei eine solche Skrupellosigkeit unterstellen, auch wenn die Oppositionskräfte durch die damit provozierte ausländische Intervention militärisch Vorteile erhielten. Denkbar ist auch das Durchknallen einzelner Kommandeure der Regierungstruppen auf einer rangniedrigeren Ebene, also ohne Billigung oder Planung durch die Zentralgewalt, einfach deshalb, weil in einem entfesselten Krieg alles möglich ist.  Zieht man aber dieses Szenario in Betracht, kommen auch andere Varianten ins Spiel . Wenn ersichtlich die direkt beteiligten syrischen Konfliktparteien nicht ohne Nachteile bzw. Verluste bei dem Einsatz davon kommen, ist auch eine Inszenierung von Geheimdiensten ausländischer Akteure  in Betracht zu ziehen. Erstaunlicherweise veröffentlichte die CIA Erkenntnisse, die die Anschuldigungen gegen Assad auf Angaben von Spionen des israelischen Geheimdienstes stützen, die  im verdeckten Einsatz in syrischen Eliteeinheiten tätig sind. (2) Wenn es dem israelischen Geheimdienst (oder anderen)  gelingt, eigene Leute dort unerkannt zu platzieren, sind diese prinzipiell auch in der Lage, als agents provokateurs zu operieren, ggf. im Zusammenwirken mit ahnungslosen Kommandeuren der Regierungstruppen auf  unterer Kommandoebene;  oder aber auch im Verbund mit terroristischen Oppositionsmilizen.  Auffällig war  jedenfalls, daß Israel praktisch ohne Zeitverzögerung über die vermeintlichen Beweise zu verfügen vorgab und am dringlichsten den  bewaffneten Einsatz des Westens forderte. In einem internationalisierten Bürgerkrieg, in dem so viele ausländische Akteure mitwirken und Interessen im Spiel sind, läßt sich die Schuldfrage nicht objektiv durch eine unabhängige Instanz aufklären. Dies gilt ganz besonders für die vermeintlichen Erkenntnisse von Geheimdiensten, aber auch für die UN-Inspektionen, die dazu weder über die Mittel noch die Verfahren verfügt. Als eine Organisation interessegeleiteter souveräner Staaten ist auch die UNO keine überstaatliche unabhängige Instanz.

Der Strafkrieg ist auch und vor allem ein Angriff auf die Fundamente unserer eigenen  Rechtsordnung.

Sämtliche Grundsätze eines modernen, in der Tradition der Aufklärung stehenden Rechtsordnung  werden schon im Ansatz beschädigt, wenn man in der Kategorie eines Strafkrieges auch nur denkt. Es handelt sich um einen fundamentalen Verstoß gegen das Verbot des Angriffskrieges, einer Grundsatznorm der völkerrechtlichen Friedensordnung, von der sich der Westen immer mehr verabschiedet. Aber auch mit unseren eigenen fundamentalsten Rechtsgrundsätzen ist dieses archaische Rechtsverständnis nicht vereinbar. Weder hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen noch gar die USA oder sonst eine Staatengemeinschaft Strafgewalt über den Rest der Welt. Schon gar nicht, wenn diese selbst auch militärisch in dem Konflikt involviert ist. In dem syrischen Bürgerkrieg werden andauernd internationale Rechtsnormen verletzt. Die Staaten in dem Zusammenschluß der ,,Freunde Syriens”” verstoßen beharrlich mit der Parteinahme für die Aufständischen dagegen. Keine der internationalen am Konflikt beteiligten Akteure kann sich zum Ankläger, Richter und Vollstrecker  in Personalunion aufzuschwingen. Was sich in den Kriegsvorbereitungen gegen Syrien sowie in den vorausgegangen Interventionen des Westens als moralisches Prinzip zu legitimieren versucht, ist nach herkömmlichen Rechtsverständnis reines Banditentum. Wenn Putin sich nicht zum Komplizen dieser internationalen Mafia macht, blockiert er nicht den Sicherheitsrat, wie hierzulande unisono immer behauptet wird. Die Wahrung des internationalen Friedens ist die vornehme Aufgabe und  nach der UN-Charta der ausschließliche Zweck dieser Einrichtung. 

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(1) FAZ 2.9.13

(2) FAZ 29.8.13

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